Jürgen Joedicke und das Bild der Moderne – Die Diasammlung des IGmA (2024–)

Neben dem privaten Nachlass des Institutsgründers Jürgen Joedicke bewahrt das IGmA auch eine Bildersammlung mit rund 14.000 Einzeldias auf, die eng mit dessen Lehr-, Forschungs- und Publikationstätigkeit verknüpft ist. Die von Joedickes Doktorvater Curt Siegel in den 1950er Jahren angelegte Diathek ging 1968 an das IGmA über und wurde dort bis in die 1990er Jahre hinein gepflegt und erweitert. Im Wesentlichen umfasst sie Architekturfotografien und -zeichnungen, vereinzelt auch Kunst- und Naturaufnahmen. Es handelt sich um Reproduktionen aus Büchern und Bildarchiven sowie Originalfotografien. Quellen verzeichnet die dazugehörige Kartei allerdings nicht durchgehend, sodass eine Einschätzung zum Archivwert der Diathek nicht ohne weiteres möglich ist. Eine vollständige Digitalisierung und Veröffentlichung mitsamt Meta-Daten ist deshalb vorerst nicht geplant. Stattdessen soll die Diasammlung des IGmA zunächst im Zusammenhang mit dem Bildgebrauch bei Jürgen Joedicke untersucht werden. Diese Perspektive verspricht nicht nur Aufschluss über Struktur und Sammlungsgeschichte der Diathek: Sie eignet sich auch, Joedickes Werk vor dem Hintergrund der Architekturtheorie und ihrer Entwicklung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu reflektieren.

Mit seinem zuerst 1958 erschienenen und seitdem vielfach übersetzten, neu aufgelegten und überarbeiteten Buch Geschichte der modernen Architektur positionierte sich Jürgen Joedicke als Theoretiker moderner Architektur, die für ihn – im Gegensatz zum perrhoreszierten Eklektizismus des 19. Jahrhundert – aus einer konstruktiv-strukturellen Logik entspringt. Damit schließt er an Überlegungen von Sigfried Giedion an, die dieser vor allen Dingen in frühen Publikationen wie Bauen in Frankreich von 1928 formuliert hatte. Inwieweit Joedicke sich auch im Bildgebrauch an Giedion anlehnt, wird zu ermitteln sein. Zugleich begleitete Joedicke als Publizist ab 1961 mit den Dokumenten der modernen Architektur eine erste „Revision der Moderne“ im Umfeld des Team X. Programmatisch widmet sich der erste Band der Buchreihe der CIAM-Konferenz in Otterlo 1959, bei der ein Bruch zwischen der Generation Giedions und einer jüngeren Gruppe um Peter und Allison Smithson, Aldo van Eyck, Georges Candilis und andere deutlich geworden war. Für das Team X spielte Fotografie eine wichtige Rolle, die nun quasi-dokumentarisch Alltagsszenen und die Interaktion der Nutzenden mit Architektur ins Zentrum rückt. Joedicke könnte hiervon durchaus beeinflusst worden sein, wie ein kursorischer Blick auf seinen Bildgebrauch ab den 1960er Jahren nahelegt. Dass die Postmoderne schließlich in ihrer Auseinandersetzung mit Pop und Massenästhetik ab den 1970er Jahren auch dem Bild eine neue Bedeutung zumaß, ist Joedicke keineswegs entgangen: Er kommentiert diese Entwicklung verschiedentlich und bemüht sich trotz aller Skepsis um eine ausgewogene Position. Inwieweit er dabei auch seine eigene Geschichte der modernen Architektur revidiert, könnte nicht zuletzt ein Vergleich von Joedickes Bildstrategien der 1950er bis 1980er Jahre zeigen.

Im Anschluss an diese Überlegungen werden im Rahmen eines Seminars im Sommersemester 2024 erste systematische Untersuchungen durchgeführt. Ein Werkstattbericht erfolgt bei einer Veranstaltung zu Jürgen Joedickes 99. Geburtstag am 26. Juni 2024, erste Ergebnisse sollen im Anschluss auf www.dokumentederarchitektur.de veröffentlicht werden.

 

Ansprechperson: Leo Herrmann

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